Kritische Anmerkungen zur PID-Entscheidung des deutschen Bundestags

Gestern entschied sich der deutsche Bundestag dafür, die Präimplantationsdiagnostik (PID) begrenzt zuzulassen. Bereits die Diskussion über die Zulassung war jedoch recht überflüssig. Denn nur die wenigsten schienen sich darüber im Klaren zu sein, dass die Abtreibung eines Ungeborenen mit Behinderung in Deutschland deutlich länger erlaubt ist, als die Abtreibung eines gesunden Kindes. Die Unterscheidung zwischen „wertem“ und „unwertem“ Leben ist hier also schon seit langer Zeit Praxis. Um die Diskussion glaubwürdig zu gestalten, hätte man zunächst hier ansetzen müssen. Doch dies ist nicht der einzige Kritikpunkt an der Debatte. 

Natürlich wünscht sich jedes Elternpaar ein gesundes Kind und keiner würde auf die Idee kommen, ihnen diesen Wunsch abzusprechen. Die PID und auch die größere Abtreibungsfrist von Ungeborenen mit Behinderung ist jedoch eine andere Frage. Man sollte jedem Menschen Gesundheit wünschen, jedoch bedeutet dies nicht, dass man automatisch behinderte oder kranke Menschen als minderwertig ansehen kann.

Die oben genannte Praxis bzw. die politischen und gesetzlichen Vorgaben tun dies m.E. jedoch. Wer kann entscheiden, ob ein Mensch auch mit Behinderung nicht doch ein glückliches Leben führen kann? Wer weiß, ob der betroffene Mensch nicht leben will, auch wenn ihm ein vielleicht nur kurzes und schmerzvolles Leben bevorsteht? Und wer ist (ethisch gesehen) dazu berechtigt, entsprechende Entscheidungen zu treffen?

Abgesehen von diesen ethischen Bedenken, ist besonders die Form der Debatte im Bundestag, sowie die Medienberichterstattung zu kritisieren. Alle Medien titelten groß, dass es sich für die Abgeordneten um eine Gewissensfrage handelte. Die Parteien wurden gelobt, diese Entscheidung freigegeben zu haben. Eine Verhöhnung der deutschen Verfassung.

In Art. 38,1 GG heißt es: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Die Gewissensfrage sollte also die Regel und nicht eine gefeierte Ausnahme sein; wir berichteten bereits vor zwei Monaten hier im Blog über diesen Missstand. Das Beispiel der PID-Debatte macht jedoch sehr deutlich, wie weit wir inzwischen in Deutschland gekommen sind: Die Medien und die Bürger feiern die Politiker, wenn sie sich ausnahmsweise mal verfassungskonform verhalten!

hd

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