Naziaufmarsch am 3.9.2011 in Dortmund: Einschränkung des friedlichen Widerstands

Am kommenden Wochenende wollen Neonazis aus ganz Deutschland in Dortmund aufmarschieren. Diese Märsche haben seit einigen Jahren Tradition in der rechten Szene. „Demonstriert“ wird gegen den Krieg („Nationaler Antikriegstag“), was sich zunächst durchaus positiv anhört. Jedoch trügt der erste Eindruck: Es handelt sich lediglich um den Protest gegen Einsätze der deutschen Bundeswehr in Bündnissen wie bspw. der Nato. Denn deutsche Soldaten sollen nach Ansicht der Neonazis nicht für fremde Staaten kämpfen; grundsätzlich friedliche Absichten stehen aber nicht dahinter. Besonderes Aufsehen erregen nun aber die geplanten Gegenveranstaltungen entsprechender Bündnisse gegen den Aufmarsch. Die Polizei versucht mit einer groß angelegten Kamapgne, den friedlichen Widerstand in kleinem Rahmen zu halten bzw. zu verhindern. 

Viele Bündnisse – von extrem links bis demokratisch geprägt – rufen zu zahlreichen Gegenveranstaltungen und einem breiten Widerstand auf. Dies beeinhaltet auch friedliche Aktionen des zivilen Ungehorsams. Die Polizei weist jedoch darauf hin, dass es sich bspw. bei Sitzblockaden um eine Straftat handelt. In einer groß angelegten Plakataktion sollen die Bürger auf diesen Umstand aufmerksam gemacht werden. Rechtlich befindet sich die Polizei damit auf der sicheren Seite. Dass sie jedoch in diesem Maße darauf aufmerksam macht, lässt ein massives Vorgehen gegen Blockierer am kommenden Wochenende vermuten.

Auch bisher fanden Aktionen des zivilen Ungehorsams – vor allem Sitzblockaden – bei zahlreichen Demonstrationen statt. Ob bei Castortransporten, beim Bildungsstreik oder eben zur Verhinderung von Nazi-Aufmärschen. Selbst prominente Personen, wie bspw. der stellv. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, nahmen und nehmen an solchen Aktionen teil. Oftmals kommt es zur Räumung von friedlichen Blockaden, hin und wieder auch zur Strafverfolgung. Ein solcher Fall wie in Dortmund, wo bereits im Vorfeld seitens der Polizei der friedliche Widerstand dermaßen dramatisiert wird, ist jedoch neu und hat einen faden Beigeschmack.

In den meisten Fällen wurden Sitzblockaden bisher als legitimes Mittel der Meinungsäußerung und vor allem des friedlichen Widerstands gewertet. Oftmals führte diese Art des Widerstands auch zum Erfolg. Zumindest ging die Polizei bisher meist tolerant mit entsprechenden Fällen um; wenn man von so traurigen Fällen wie im Stuttgarter Schlossgarten im letzten Jahr einmal absieht.

Dass die Behörden nun einen solchen Aufwand betreiben, um die Bürger von Blockademaßnahmen abzuhalten, scheint deshalb etwas fragwürdig. Anscheinend soll den Demonstranten Angst vor dem friedlichen Widerstand gemacht werden. Neben der Tatsache, dass die Genehmigung rechter Aufmärsche an sich bereits ein sehr umstrittenes und heikles Thema darstellt, wird nun auch noch der durchaus legitime Protest dagegen eingeschränkt. Man könnte den Behörden angesichts dieser Umstände fast den Wunsch unterstellen, dass das rechte Gedankengut doch bitte ohne größere Zwischenfälle verbreitet werden soll.

Im Großen und Ganzen kann man auf jeden Fall eine traurige Entwicklung in der Reaktion des Staates bzw. seiner Organe auf friedlichen Widerstand feststellen. Ob Atomkraft, Stuttgart 21, rechte Aufmärsche oder jüngst der demokratische Widerstand in Berlin: Die Polizei legt eine neue Quallität der Härte gegen friedliche und zumeist demokratische Demonstranten an den Tag. Woran dies liegen mag, soll an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Es sei lediglich festgestellt, dass dies ein Armutszeugnis für die Demokratie in unserem Lande darstellt.

Zudem ist es traurig und bedenklich, dass die etablierten Medien der Bundesrepublik mit dem ausgestreckten Finger auf Polizeigewalt und Repressalien durch den Staat gegen friedliche Demonstranten zeigen, sofern diese in einem anderen Land dieser Erde stattfinden; wenn es aber in Deutschland Missstände anzuprangern gibt, schweigt die große und „freie“ Medienlandschaft der Republik.

Man darf abwarten, was das kommende Wochenende in Dortmund tatsächlich bringen wird. Man kann nur hoffen, dass sich genug Demonstranten finden, die sich nicht von der polizeilichen Taktik haben abschrecken lassen und entschiedenen gegen den rechten Aufmarsch protestieren. Ob nun durch aktiven Widerstand oder nicht muss jeder für sich selbst entscheiden. Die Polizei befindet sich rechtlich – wie bereits erwähnt – auf der sicheren Seite. Es handelt sich hierbei jedoch um ein moralisches Problem: Wie wird in diesem Land mit denjenigen umgegangen, die für demokratische Werte, für Toleranz und ein friedliches Zusammenleben entschieden und mit friedlichen Mitteln eintreten?

Neben einigen linken und vor allem linksextremen Bündnissen gegen den Aufmarsch ruft auch ein demokratisches Bündnis zum (friedlichen) Protest auf: Das Bündnis „Dortmund nazifrei“ hält am Samstag zwischen 9 und 11 Uhr eine Kundgebung auf der Schützenstraße, Ecke Goethestraße ab. Hierbei wird auch der Umgang mit Aktionen des zivilen Ungehorsams Thema sein. Auf dem Blog des Bündnisses heißt es dazu:

Wir respektieren die Rolle der Polizistinnen und Polizisten am 03. September. ‚Dortmund nazifrei! Bündnis demokratisches Dortmund‘ hat sich ausdrücklich unter der Maßgabe der Friedlichkeit und Gewaltlosigkeit gegründet. Das Bündnis verwehrt sich daher gegen die von der Polizei suggerierte Gleichsetzung von Blockaden mit Gewalttätigkeit und Unfriedlichkeit.

Wir sehen die Ausübung zivilen Ungehorsams als friedliches Mittel der demokratischen Meinungsbekundung,  die gerade dem Ziel dient unser Grundgesetz und die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor ihren Feinden zu schützen.

Zu den Unterstützern des Bündnisses zählen übrigens auch der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) und Ullrich Sierau (SPD), der Oberbürgermeister der Stadt Dormund.

Wer sich dem friedlichen Protest anschließen möchte und über die neusten Entwicklungen auf der Demonstration und in Sachen Blockaden informiert werden will, sollte sich an diesem Bündnis orientieren. Weitere Information gibt es auf dessen Blog. Linksradikale Bündnisse, wie „Alerta“, rufen zudem bspw. zu einer linksradikalen Vorabenddemo auf. Dass diese Art des Protests nicht derjenige ist, welcher in diesem Beitrag beschrieben wird, sollte sich von selbst verstehen.

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Nachtrag vom 4.9.2011:

Wir von res.publica waren gestern vor Ort. Eine Nachbetrachtung, Fotos und ein Pressespiegel finden sich ab heute hier im Blog.

Nachtrag vom 30.8.2011:

So ganz eindeutig, wie gestern beim Verfassen dieses Artikels von mir angenommen, scheint die Rechtslage bezüglich der Blockadeaktionen doch nicht zu sein. Das Portal „Der Westen“ veröffentlichte bereits am 25.8.2011 einen Artikel, in dem es heißt:

Ganz so eindeutig ist die Rechtslage für die Staatsanwaltschaft in Dortmund jedoch nicht. Wie Oberstaatsanwältin Dr. Ina Holznagel erklärte, befinde man sich in einer Grauzone. Nach neuer Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht stelle eine friedliche Sitzblockade keine Nötigung mehr dar. Und damit gehe davon auch keine Gewalt aus. Man habe sich im Vorfeld der Demonstration erkundigt. „Doch gibt es keine aktuelle Klärung dieser Rechtsfrage“, sagte Dr. Ina Holznagel. Auch in Dresden, wo ein Naziaufmarsch erfolgreich blockiert worden war, sei diese Frage nicht geklärt worden. Man müsse jeden einzelnen Fall von der jeweiligen Situation abhängig machen. Das Bündnis „Dortmund stellt sich quer“ richtet den Blick in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes Braunschweig (AZ 5 A 685/05) und d[e]s Bundesverfassungsgerichtes vom 7. März 2011 „1 BvR 388/05“.

Diese Information bestätigt die These, dass die Polizei wohl auch anders könnte, in ihren Reihen aber anscheinend kein Interesse an einem breiten und entschiedenen Widerstand gegen den rechten Aufmarsch besteht.

Nachtrag vom 1.9.2011:

Ein weiterer Fall bedenklichen Umgangs mit friedlichem Protest gegen Rechts stellt das Verfahren gegen Pfarrer Lothar König im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Dresden zu Beginn dieses Jahres dar. König wird vorgeworfen, zur Gewalt gegen Einsatzkräfte aufgerufen zu haben. Dieser Vorwurf kann jedoch nur unter radikaler Ausblendung des Kontextes der Äußerung aufrechterhalten werden. In einem anderen Artikel gehen wir näher auf den Fall ein.

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