Die Fiktionalität von Nachrichten

Die Trennung von Nachricht und Kommentar ist ein wichtiges selbstauferlegtes Gebot der Medienschaffenden. Sinn ist, klar aufzuzeigen, bei welchem Artikel es sich um überprüfbare Fakten und bei welchem um subjektive Meinungsäußerungen handelt. Unseriöse Medien, wie beispielsweise der US-Fernsehsender Fox, ignorieren oder umgehen dieses Gebot und vermischen Meinungsmache mit Nachrichten zu einem manipulativen Brei. Doch auch seriöse Medien tun sich teilweise schwer diese beiden Bereiche klar zu trennen. Ziel dieses Artikels soll nicht sein, hier eine böse Absicht zu unterstellen, sondern auf die fiktive und damit subjektive Natur einer angeblich objektiven Nachricht hinzuweisen.

Eine Nachricht bettet ein an sich objektives Ereignis in einen Zusammenhang. Was der relevante Zusammenhang ist, liegt im Ermessen des Verfassers. Dies ist der Punkt, an dem die Nachricht ihre Objektivität verliert. Je nachdem welche anderen Ereignisse mit einbezogen werden, kann sich die Bedeutung der Nachricht grundlegend verändern. Die Auswahl muss noch nicht einmal bewusst stattfinden, sondern ist geprägt von dem Vorwissen und der Meinung des Verfassers. Beides fließt oft unbemerkt in die Bewertung eines Sachverhalts ein. Der Guardian nutzte diese Tatsache für einen Werbeclip:

Hier wird allerdings verschwiegen, dass das angebliche „whole picture“ auch wieder nur eine Auswahl der Realität darstellt und absolute Objektivität unmöglich ist.

In sämtlichen Wahrnehmungs- und Kommunikationsprozessen ist viel Spielraum für Interpretation enthalten, der auch grundsätzlich genutzt wird. Ein Ereignis wahrzunehmen, zu verarbeiten, in sprachliche Form zu bringen, zu kommunizieren, zu verstehen und zu verarbeiten, ohne dass sachfremde Einflüsse wirken können ist unmöglich. Ein Ereignis verliert seinen Status als Faktum, sobald es wahrgenommen wird.

Ist man sich dieser Tatsache bewusst, so kann man versuchen diese Einflüsse zu identifizieren und auszufiltern. Eine wichtige Strategie ist hier, sich den Standpunkt der konsumierten Medien klarzumachen. Beispielsweise ist die taz eher links zu verorten, während die Frankfurter Allgemeine eher konservativ ist. Ist man sich über diese grundlegenden Positionen im Klaren, so fällt es leichter die offensichtliche Meinung des Mediums von den „Tatsachen“ zu trennen. Vergleicht man nun die Artikel beider Zeitungen zu einem Thema, so kann man von Gemeinsamkeiten annehmen, dass sie der „Wahrheit“ nahekommen.

Buchtip:

Für die Geschichtsschreibung hat Hayden White in seinem Buch „Auch Klio dichtet oder Die Fiktion des Faktischen“ eine ähnliche Analyse durchgeführt.

Verlag: Klett-Cotta
Jahr: 1999
Preis: Leider nur noch antiquarisch verfügbar

White beschreibt, wie sehr die Geschichtsschreibung Erzählungen ähnelt und identifiziert verschiedene Genres wie Romanze oder Tragödie, die eng mit verschiedenen sprachlichen Mitteln und politischen Ideologien verknüpft sind. Interessant ist vor allem die Feststellung, dass die Geschichtswissenschaft nicht so objektiv ist, wie sie zu sein behauptet. Der Teil über die Ideologien und Stilmittel mutet etwas esoterisch an, ist jedoch durchaus lesenswert.

bd

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