Universitäten in den Fängen der freien Wirtschaft

Die Universitäten der Bundesrepublik sind schon seit langer Zeit Gegenstand öffentlicher Debatten. Nach dem Bildungsstreik der letzten beiden Jahre ist es allerdings wieder ruhig geworden um die deutschen Bildungsstätten. Doch die Missstände sind keineswegs behoben. Unter anderem hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklungen und Kooperationen gibt es einige zu kritisierende Punkte. Auch wir haben dieses Thema in unserem Blog bereits aufgeriffen. Am 21.8.11 hat nun die taz (wenn auch nicht für ihre immer objektive und konstruktive Bericherstattung bekannt) einen Artikel veröffentlicht, in welchem die Zusammenarbeit zwischen der Universität zu Köln und der Bayer AG kritisiert wird. Dieses Beispiel steht stellvertretend für den Zustand, in welchem sich die Universitäten der Republik heute befinden. Von freier Forschung und Lehre kann in vielen Bereichen nicht mehr die Rede sein; Art. 5,3 des deutschen Grundgesetzes wird massiv verletzt. 

Die Universität und der Konzern wollen die Details ihrer Kooperation nicht offenlegen. Zu Beginn der Zusammenarbeit wurde dieselbe vor allem vom damaligen Wissenschaftsminister Pinkwart (FDP) hoch gelobt. Doch nun scheint es, als ob nicht alles so einwandfrei läuft. Auf Anfragen des industriekritischen Bündnisses „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ zeigte sich, dass sowohl die Universität als auch der Konzern anscheinend bestrebt sind, die Einzelheiten ihrer Kooperation zu verbergen.

Es geht vor allem um die Erforschung und Herstellung neuer Medikamente. Also insbesondere in Deutschland ein Geschäft, welches große Gewinne verspricht. Seit die Universitäten dazu angehalten sind, sich über sog. Drittmittelfinanzierungen weitgehend eigenständig über Wasser zu halten kommt es immer häufiger zu fragwürdigen Verstrickungen zwischen den öffentlichen Forschungseinrichtungen und privaten Wirtschaftsunternehmen. Das größte Problem dabei ist: Wer das Geld hat, hat die Macht. Wie bereits erwähnt, stellt dies eine große Gefahr für die im Grundgesetz verankerte freie Forschung dar.

Ein solcher Fall wie in Köln bestätigt die Befürchtungen. Eine öffentliche Institution verweigert die Aussagen zur Kooperation mit einem privaten Unternehmen und somit auch zum Ausmaß des Einflusses, welches dieses geltend macht. Die taz schreibt dazu: „Das Informationsfreiheitsgesetz des Landes NRW […] sieht vor, dass Dokumente öffentlicher Stellen grundsätzlich zugänglich sein müssen.“ Daran hält sich die Universität in Köln nicht und weist dafür lediglich fadenscheinige Gründe vor.

Der beschriebene Fall ist ein weiteres Symptom für den Verfall des deutschen Hochschulwesens und somit eines wichtigen Pfeilers des Bildungssystems (wobei es nicht so aussieht, als ob die anderen Pfeiler momentan sonderlich stabil sind). Neoliberale Vorstellungen und Regelungen greifen das Grundrecht der freien Forschung unmittelbar an. Schon heute muss bei jedem Forschungsergebnis zunächst der dahinter stehende Geldgeber begutachtet werden, bevor ein Ergebnis als glaubwürdig eingstuft werden kann. Wenn solche Vorfälle wie an der Universität zu Köln Schule machen (und das tun sie), kann selbst öffentlichen Institutionen kein Vertrauen mehr entgegengebracht werden. Sämtliche Forschungsergebnisse werden wertlos, da überall unredliche Motive statt wissenschaftlicher Neutralität vermutet werden müssen.

Nicht zuletzt hat diese Praxis natürlich auch Auswirkungen auf die Lehre. Ein Professor, der für ein bestimmtes Unternehmen forscht, wird dieses auch in seinen Vorlesungen und Seminaren nicht kritisch hinterfragen. Eher werden die unternehmenskonformen Ansichten an die Studierenden weitergegeben. Ein persönlichkeitsbildendes Studium – in welchem Studierende sich vor allem bilden und das kritische Denken lernen – gehört heute schon der Vergangenheit an.

Es wird Zeit für einen neuen Aufschrei an den Universitäten. Der Bildungsstreik der letzten Jahre hat zwar große Aufmerksamkeit auf sich gezogen, ist aber schnell wieder im Sande verlaufen. Es liegt nun an den (leider weniger werdenden) Aktiven an Deutschlands Hochschulen, diesen Protest erneut zu entfachen und den Wissenschaftsstandort gegen den so oft gepriesenen Wirtschaftsstandort zu verteidigen.

Übrigens sitzen ein Vertreter der Bayer AG  sowie ein Vertreter der Deutschen Bank im Hochschulrat der Universität zu Köln, dem seit der Verabschiedung des Hochschulfreiheitsgesetzes (2006) höchsten Gremium an den jeweiligen nordrhein-westfälischen Hochschulen. Erstgenannter besetzt derzeit sogar den Vorstandsposten des Rates.

hd

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