Beißreflex vs Reflexion – Die Verantwortung der Medien

Eine winzige Partei vom ganz rechten Rand kündigte kürzlich an, ein unsägliches filmisches Machwerk (nicht bloß inhaltlich) in voller Länge öffentlich vorzuführen*. Eine Steilvorlage für die vom scheinbar immer länger werdenden Sommerloch gebeutelten Journalisten. Jedes Blatt, jedes Online-Magazin, jedes Fernsehprogramm, das etwas auf sich hält, bringt einen alarmistischen Beitrag zu dem Thema.

Man sieht die öffentliche Ordnung aber gleichzeitig auch, im Falle eines Aufführungsverbots, die Meinungsfreiheit gefährdet. Sogar die Kanzlerin lässt sich zu einer Stellungnahme herab. Ganz Deutschland ist in Aufruhr. Lässt man jedoch mal alle Eigeninteressen (Wahlkampf, Auflage, Klicks, etc.) beiseite, so bleibt folgendes: eine Partei ohne ernsthafte Bedeutung, aber dafür mit umso mehr Provokationspotential und ein sog. Film, der inhaltlich als auch schauspielerisch von jedem Schülerprojekt ausgestochen wird und wahrscheinlich sowieso nicht in voller Länge existiert.

Die Panik der schreibenden und der regierenden Zunft macht daraus eine Partei, die sogar die Kanzlerin ernstnimmt, ein kinematographisches Machwerk, das aus sich heraus eine Bedeutung hat und – nicht zu vergessen – eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Der Gedanke, dass sie sich dabei gleich in zweierlei Weise vor den Karren der Rechtspopulisten spannen lassen, verschwindet im Dunkel des Sommerlochs.

Ohne die mediale Aufmerksamkeit wäre die Partei das geblieben, was sie eigentlich auch ist: ein kleiner Club von weltfremden, hasserfüllten Verschwörungstheoretikern. So stehen sie auf Titelseiten, werden mit gigantischer Bedeutung aufgeladen. Und viel schlimmer noch, ihre Argumente werden aufgenommen. Wenn in sog. seriösen Zeitungen gewarnt wird, eine Aufführung des Films würde zu Ausschreitungen führen, so ist das eine Übernahme des unzulässigen Bildes vom grundsätzlich unreflektiert gewaltbereiten Moslem. Damit hat diese dubiose Partei es geschafft, ihren Namen und ihre Argumente prominent im medialen Diskurs zu platzieren.

Ein vernünftiger Umgang würde entweder auf eine Berichterstattung komplett verzichten (durch den fehlenden Nachrichtenwert auch kein wirklicher Verlust) oder Partei und Film nicht über die Maßen ernst nehmen. Wer einmal Äußerungen der Partei und ihrer Mitglieder gehört oder Ausschnitte des Films gesehen hat weiß, dass hinter der „islamkritischen“ Fassade nichts als Hass und Provokation ohne Inhalte steht – und das auch noch bei beiden mehr als unbeholfen und stümperhaft inszeniert.

bd

* Um nicht Wasser zu predigen und Wein zu trinken, wird auf eine namentliche Nennung von Film und Partei verzichtet. Auch sollte den meisten Lesern klar sein, worum es sich handelt; im Zweifelsfall hilft eine Suchmaschine gerne weiter. Zudem soll es in diesem Artikel um die mediale Berichterstattung, nicht aber das Objekt ebendieser gehen.

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